Corona-Pandemie und Ukrainekrieg haben gezeigt, dass die globalisierte Versorgungskette Schwächen hat. Eine der Folgen: Konsument*innen achten sensibler auf die Herkunft ihrer Produkte1. Immer mehr Menschen greifen auch deshalb bewusster zu Lebensmitteln aus der Region, weil sie günstiger sind oder von der Qualität überzeugt sind. Aber was ist wirklich „besser“? Regionale Lebensmittel aus intensiver, chemiegestützter Landwirtschaft – also auch mal der heimische Salat aus dem beheizten Glashaus – oder eben doch Freiland-Bio aus Italien? Die Antwort: Neben dem „Wo“ sollte es vor allem auch um das „Wie“ der Herstellungsprozesse unserer Lebensmittel gehen. Und da hat Bio klar die Nase vorn.
Nähe schafft vertrauen
Wenn ein Produkt aus der Region stammt, dann hat das viele Vorteile – wie zum Beispiel kurze und damit günstigere Transportwege oder auch Saisonalität. Nicht zuletzt hilft der Einkauf von regionalen Lebensmitteln dabei, Arbeitsplätze – aus Produktion, Verarbeitung und Logistik bis zum Marketing – zu erhalten, die Kulturlandschaft zu pflegen und der Landflucht entgegenzuwirken.
Gerade auch deshalb werden Lebensmittel „aus der Region“ meist unabhängig von der Produktionsweise als qualitativ hochwertig und nachhaltig dargestellt bzw. wahrgenommen. Für viele Konsument*innen bedeutet regional meist eine kleinräumige Landwirtschaft und Lebensmittel, die in ländlicher Idylle produziert werden. Regional heißt nah und die räumliche Nähe erhöht das Vertrauen und – zumindest gefühlt – die Transparenz. Allerdings reichen räumliche Nähe und eine persönliche Bekanntschaft noch nicht aus, um daraus klare und umfassende Qualitätskriterien abzuleiten oder eine wirklich seriöse Beurteilung der Produktionsbedingungen treffen zu können2,3.
Was ist eigentlich „regional“?
Während „Bio“ durch die EU-Bio-Verordnung klar geregelt ist, ist der Begriff der Regionalität eher schwammig. Bedeutet „regional“ die geografische Nähe eines Produkts zu den Konsument*innen? Wie viele Quadratkilometer darf eine Region umfassen? Wenn die Kühe in der Nachbarschaft mit Sojaschrot aus Südamerika gefüttert werden, ist die Milch dann noch regional?
Im Gegensatz zu Bio gibt es derzeit noch kein einheitliches Verständnis, keine einheitlichen Standards und Richtlinien, was unter „regional“ genau zu verstehen ist. Das regionale Schnitzel sagt nichts darüber aus, wie die Schweine gehalten wurden und was sie zu fressen bekamen. Auch bei regionalem Gemüse kann der/die Konsument*in meist nicht nachvollziehen, ob und welche Pestizide eingesetzt wurden. Im Gegensatz dazu weiß man bei Bio-Lebensmitteln sehr wohl, dass etwa Tierwohlstandards und klare Regelungen zu Futtermitteln eingehalten werden.
Wenn es also nur um das „Wo“ und nicht um das „Wie“ des Herstellungsprozesses geht, dann greift „Regional“ als Qualitätskriterium eindeutig zu kurz. Will man Qualitätskriterien definieren, muss die Herkunft mit konkreten ökologischen und sozialen Herstellungs- oder Handelskriterien kombiniert werden. Zudem braucht es ein Verständnis von Regionalität jenseits von nationalen Grenzen. Und für all diese Kriterien bräuchte es schließlich auch ein klares, nachvollziehbares und transparentes Kontroll- und Kennzeichnungssystem4.
Bio oder regional – was ist besser?
Für insgesamt 54,8 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2)-Äquivalente war die deutsche Landwirtschaft allein im Jahr 2021 verantwortlich. Das entspricht sieben Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen des Jahres5. Treibhausgasemissionen lassen sich gerade in der Bio-Landwirtschaft deutlich reduzieren. Unter anderem auch, weil im Biolandbau keine schnelllöslichen Mineraldünger eingesetzt werden dürfen. Daher punktet beim Thema Klimaschutz die regionale Lebensmittelproduktion besonders in Kombination mit Bio.
Denn auch wenn es empfehlenswert ist, beim Lebensmitteleinkauf für ein möglichst geringes Transportaufkommen zu sorgen, greift Regionalität allein in Sachen Klimaschutz oft zu kurz. So zeigt eine österreichische Studie6, dass Tomaten, die außerhalb der Saison in einem beheizten Gewächshaus kultiviert werden, trotz Regionalität mitunter eine schlechtere CO2-Bilanz aufweisen als Tomaten aus dem saisonalem Freilandanbau, die aus dem Ausland importiert wurden. Die landwirtschaftliche Produktion in klimatisch begünstigten Regionen weist demnach trotz höherer Transportemissionen oft eine bessere Klimabilanz.
Alle Lebensmittel können niemals vom Bauern/von der Bäuerin aus dem deutschen Nachbarort produziert werden – Stichwort Banane, Kaffee, Schokolade. Auch bei weniger exotischen Lebensmitteln ist zudem die Nachfrage oft größer als das heimische Angebot. Daher ist es beruhigend zu wissen, dass die Bio-Landwirtschaft auch aus überregionaler Produktion einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion leistet.
Regionalität ist vor allem dann nachhaltig und umweltverträglich, wenn sie Hand in Hand mit Saisonalität und Bioqualität geht. Als Beispiel: was die Klimabilanz betrifft, haben heimische, saisonale Bio-Tomaten aus dem Freiland klar die Nase vorn.
Dass Bio und Regionalität gut zusammenpassen, zeigen auch die sogenannten Bio-Muster- bzw. Öko-Modellregionen, die sich in Deutschland in verschiedenen Bundesländern entwickelt haben. Die Idee hinter den Bioregionen ist, die Grundsätze des biologischen Landbaus auf eine regionale Ebene auszuweiten. Die (regionale) biologische Landwirtschaft soll durch Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette – von der Produktion, über Verarbeitung und Vermarktung bis hin zu den Konsument*innen – und durch Vernetzung mit anderen regionalen Akteur*innen zu einer dynamischen und nachhaltigen Entwicklung in der gesamten Region beitragen7.
Bio, saisonal und regional
Kurze Wege und regionale Wertschöpfung sprechen für regionale Lebensmittel. Allerdings kann von der Distanz zwischen dem Ort der Lebensmittelproduktion und dessen Konsum, weder allein auf die Qualität eines Nahrungsmittels noch auf (wirtschaftliche) Vorteile für eine Region geschlossen werden. Zur Definition von Qualitätskriterien muss die Herkunft mit konkreten ökologischen und sozialen Herstellungs- oder Handelskriterien kombiniert werden. Zudem braucht es ein Verständnis davon, dass mit Regionalität auch Gebiete jenseits von nationalen Grenzen gemeint sein können. Damit Verbraucher*innen vergleichen und besser entscheiden können, braucht es über diese Kriterien ein klares, nachvollziehbares und transparentes Kontroll- und Kennzeichnungssystem8.
Wenn wir Konsument*innen wissen wollen, unter welchen Bedingungen unsere Lebensmittel produziert wurden, dann ist das wichtig und wünschenswert. Stehen wir vor dem Supermarktregal ist folgende Faustregel hilfreich bei der Entscheidungsfindung: Bio, saisonal, regional – und zwar in dieser Reihenfolge. Damit steht vielfältigen, genussvollen, umwelt- und klimafreundlichen Geschmackserlebnissen nichts mehr im Wege.
Quellenangaben:
1 BMEL (2021): Deutschland, wie es isst. Der BMEL-Ernährungsreport 2021.
2 Weber, T. (2019): The great regional swindle. https://www.biorama.eu/the-great-regional-swindle/ abgerufen am 02.06.2021
3 Biorama (2020): Regional ist nicht gut genug. https://www.biorama.eu/regional-ist-nicht-genug/, abgerufen an 02.06.2021
4 Ernährungsrat Wien (2020): Regional ist nicht genug: Ökologische, gesunde und sozial gerechte Versorgung mit Lebensmitteln braucht System. Kommentar des Ernährungsrat Wien zum Regionalitätsgipfel. https://ernaehrungsrat-wien.at/2020/05/20/regional-ist-nicht-genug-oekologische-gesunde-und-sozial-gerechte-versorgung-mit-lebensmitteln-braucht-system/, abgerufen am 25.08.2022
5 https:// www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#treibhausgas-emissionen-aus-der-landwirtschaftabgerufen am 25.08.2022
6 Theurl, M.C., Haberl, H., Erb, K.-H., Lindenthal T. (2013): Contrasted greenhouse gas emissions from local versus long-range tomato production. In: Agronomy for Sustainable Development DOI 10.1007/s13593-013-0171-8. https://link.springer.com/article/10.1007/s13593-013-0171-8
7 Kummer, S. et al. (2019): Stärkung der biologischen Landwirtschaft in Österreich bis 2030. Studie zu Erfolgsfaktoren und Handlungsoptionen. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus. https://www.bmlrt.gv.at/land/bio-lw/zukunft-der-bio-landwirtschaft.html
8 Ernährungsrat Wien (2020): Regional ist nicht genug: Ökologische, gesunde und sozial gerechte Versorgung mit Lebensmitteln braucht System. Kommentar des Ernährungsrat Wien zum Regionalitätsgipfel. https://ernaehrungsrat-wien.at/2020/05/20/regional-ist-nicht-genug-oekologische-gesunde-und-sozial-gerechte-versorgung-mit-lebensmitteln-braucht-system/, abgerufen am 25.08.2022
Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) Österreich erstellt.