Der wahre Preis unserer Lebensmittel

Steigende Energiepreise und Inflation – wenn alles teurer wird, glauben viele Menschen, sie könnten sich den Einkauf im Bio-Markt nicht mehr leisten. Das Ausbleiben der Kundschaft spürt die Bio-Branche derzeit deutlich. 

Trugschluss Schnäppchenkauf

Dabei sind die Deutschen mit ihren Ausgaben für Lebensmittel im internationalen Vergleich ohnehin geizig. So gaben sie im Jahr 2020 lediglich zwölf Prozent ihres Konsums für Nahrungsmittel aus und lagen damit hinter Ländern wie Italien, Frankreich oder auch Schweden1.

Billige Lebensmittel aus dem Discounter sind allerdings keine «Schnäppchen», sondern kommen uns am Ende teuer zu stehen. Sie sind sogar Mit-Verursacher der aktuellen Krisen, wie Klima- und Biodiversitätskrise2 und schließlich auch der Hungerkrisen im globalen Süden. Zudem sind die volkswirtschaftlichen Folgekosten der konventionellen Lebensmittelerzeugung teilweise gewaltig. Laut einem britischen Bericht betragen sie das doppelte von dem, was wir an der Supermarktkasse zahlen. Die Autor*innen des Berichts kamen in Großbritannien auf eine Summe von über 116 Milliarden Euro3.

„Billige Lebensmittel aus dem Discounter sind allerdings keine «Schnäppchen», sondern kommen uns am Ende teuer zu stehen. Sie sind sogar Mit-Verursacher der aktuellen Krisen, wie Klima- und Biodiversitätskrise und schließlich auch der Hungerkrisen im globalen Süden.“

Zahlreiche Untersuchungen zu den externen Kosten unterstreichen diese Zahlen. So belastet der hohe Einsatz von Düngemitteln in der Landwirtschaft unsere Gewässer. Schätzungen gehen davon aus, dass der zu hohe Nährstoff-Eintrag hierzulande über 47 Millionen Euro pro Jahr an Folgekosten verursacht4. Eine andere Studie, die neben Düngemitteln auch chemisch-synthetische Pestizide berücksichtigt, schätzt die externen Kosten der Trinkwasseraufbereitung in Deutschland sogar auf jährlich 580 bis 684 Millionen Euro5. Noch nicht einkalkuliert sind hierbei die negativen Auswirkungen des hohen Düngemitteleintrags auf Fließgewässer und als Folge davon auf die Bodenerosion6, die im schlimmsten Fall Instandsetzungskosten nach Überschwemmungen nach sich ziehen kann – ein Szenario, dass jüngst im Sommer 2021 in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen bittere Realität geworden ist.

Den Preis zahlen wir doch

Ein Forscherteam der Universität Augsburg hat zusätzlich eine Kosten-Nutzen-Rechnung von Stickstoff in der deutschen Landwirtschaft aufgestellt. Dazu wurden die Folgen für Ökosystem, Klima und Gesundheit des Menschen kalkuliert und hierbei einen Betrag von 11,5 Mrd. Euro pro Jahr errechnet.7 Zum Teil zahlen wir diese Folgekosten bereits heute über Steuern oder im Rahmen unseres Gesundheitssystems. Viele dieser Folgekosten werden jedoch nicht monetär ausgeglichen sondern gehen zu Lasten einer intakten Umwelt zukünftiger Generationen.

„Zum Teil zahlen wir diese Folgekosten bereits heute über Steuern oder im Rahmen unseres Gesundheitssystems. Viele dieser Folgekosten werden jedoch nicht monetär ausgeglichen sondern gehen zu Lasten einer intakten Umwelt zukünftiger Generationen.“

Die Erzeugung billiger Lebensmittel verursacht auch global große Probleme, vor allem durch den Import von Sojafuttermitteln, etwa aus Südamerika, für deren Anbau Regenwald abgeholzt wird. Nicht nur gehen so wichtige CO2-Speicher verloren, auch wird weiträumig Lebensraum zerstört und Biodiversität gefährdet. Der massive Pestizideinsatz beeinträchtigt zudem die Fruchtbarkeit der Böden und damit die Ernährungssouveränität bzw. -sicherheit der lokalen Bevölkerung8.

Mehrwert der Bio-Produkte

Wer ökologisch erzeugte Lebensmittel kauft, investiert hingegen lokal aber auch global in wichtige Leistungen für Umwelt und Gesundheit. Der Verzicht auf mineralische Stickstoffdünger sowie ein geringerer Einsatz von industriell hergestelltem Kraftfutter für die Nutztierhaltung verringert die Höhe der externen Kosten deutlich9 10 11. Im Biolandbau wird außerdem gezielt Humuserhalt- und -aufbau betrieben und durch Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide Bodengesundheit, Biodiversität und Grundwasser geschützt. Ein Beispiel: Gewässerrandstreifen im Bioanbau. Sie sind wichtige Rückzugsräume für Nützlinge und schützen Gewässer vor einer Anreicherung mit Nährstoffen. In einer Kosten‐Nutzen‐Analyse kam man nach 20 Jahre auf einen monetären Nutzen von rund 760 Millionen Euro12 13. Weitere positive Effekte wie der Erosionsschutz oder Schutz des Lebensraums für Bestäuber wurden dabei noch gar nicht berücksichtigt.

„Wer ökologisch erzeugte Lebensmittel kauft, investiert hingegen lokal aber auch global in wichtige Leistungen für Umwelt und Gesundheit.“

Bioprodukte weniger von Preissteigerungen betroffen

Dass eine krisensichere Produktionsweise auch stabilere Preise bedeutet, sehen wir im Übrigen daran, dass die Kostensteigerung für konventionelle frische Produkte derzeit mit rund acht Prozent deutlich höher liegt, als für Bio-Lebensmittel.14 Letztere sind im Schnitt nur fünf Prozent teurer geworden. Insgesamt haben sich die üblichen Preisunterschiede deutlich verringert und werden dies weiter tun. Die Gründe: kürzere Transportwege, weniger Kosten für Pestizide und Düngemittel aber auch langfristige Liefervereinbarungen. Zudem ist der Biomarkt stärker auf regionale und kleinbäuerliche Strukturen aufbaut und weniger abhängig von globalen Entwicklungen. Für Verbraucherinnen und Verbraucher lohnt sich also der Preisvergleich15.

„Dass eine krisensichere Produktionsweise auch stabilere Preise bedeutet, sehen wir im Übrigen daran, dass die Kostensteigerung für konventionelle frische Produkte derzeit mit rund acht Prozent deutlich höher liegt, als für Bio-Lebensmittel. Letztere sind im Schnitt nur fünf Prozent teurer geworden.“

Externe Kosten einpreisen, den Ausbau der Bio-Landwirtschaft vorantreiben – die Politik darf die Verantwortung nicht allein auf die Kund*innen und ihre Kaufentscheidung abwälzen. Es braucht vielmehr starke gesetzliche Regelungen die unsere Ressourcen so schützen, dass der Planet auch unsere Kinder und Kindeskinder noch ernähren kann. Hierzu müssen u.a. die Rahmenbedingungen für den Biolandbau in Praxis, Beratung und Forschung verbessert werden. Sinnvoll wäre zudem eine Stickstoff-, Energie- und Pestizidsteuer16 sowie als einer der wichtigsten und ersten Hebel der schrittweise, konsequente Ausstieg aus der Nutzung chemisch-synthetischer Pestizide.

Quellenangaben

 Eurostat: Final consumption expenditure of households, by consumption purpose https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tec00134/default/table?lang=en. Zuletzt abgerufen am 09.06.2022.

IPCC, 2019: Summary for Policymakers. In: Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertifcation, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fuxes in terrestrial ecosystems [P.R. Shukla, J. Skea, E. Calvo Buendia, V. Masson-Delmotte, H.-O. Pörtner, D. C. Roberts, P. Zhai, R. Slade, S. Connors, R. van Diemen, M. Ferrat, E. Haughey, S. Luz, S. Neogi, M. Pathak, J. Petzold, J. Portugal Pereira, P. Vyas, E. Huntley, K. Kissick, M. Belkacemi, J. Malley, (Hrsg.)]. In Druck.

Fitzpatrick, I. et al. (2019): The hidden cost of UK food. Revised Edition 2019. Sustainable Food Trust. Abrufbar unter https://sustainablefoodtrust.org/wp-content/uploads/2022/01/Website-Version-The-Hidden-Cost-of-UK-Food_compressed.pdfZuletzt abgerufen am 16.08.2022

Sanders, J. und Heß, J. (Hrsg.) (2019): Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft. 2. überarbeitete und ergänzte Auflage, Thünen Report. Abrufbar unter: https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_65.pdf. Zuletzt abgerufen am 21.06.2022.

Oelmann, M. et al. (2017): Quantifizierung der landwirtschaftlich verursachten Kosten zur Sicherung der Trinkwasserbereitstellung. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt.Abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2017-05-24_texte-43-2017_kosten-trinkwasserversorgung.pdf. Zuletzt abgerufen am 21.06.2022.

6 Siehe z.B. im Forderungskatalog der aktuellen Unterschriftenkampagne des „Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V.“ an den dt. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir

7Gaugler, T. und Michalke, A. (2017): Was kosten uns Lebensmittel wirklich? Ansätze zur Internalisierung externer Effekte der Landwirtschaft am Beispiel Stickstoff. GAIA – Ecological Perspectives for Science and Society 26 (2): 156–157. https://doi.org/10.14512/gaia.26.2.25.

Schlatzer, M. und Lindenthal, T. (2020): Ökologische und soziale Auswirkungen der österreichischen Futtermittelimporte aus Übersee. Abrufbar unter: https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrup/download/pdf/3289574?originalFilename=true. Zuletzt abgerufen am 21.06.2022.

Gaugler, T. et al. (2018): „How much is the dish?“ –  Was kosten uns Lebensmittel wirklich? Universität Augsburg. Abrufbar unter: https://www.tollwood.de/wp-content/uploads/2018/09/20180914_how_much_is_the_dish_-_was_kosten_uns_lebensmittel_langfassungfinal-2.pdf. Zuletzt abgerufen am 21.06.2022.

10 Michalke, A. (2019): How much is the dish? – Was kosten uns Lebensmittel wirklich? 15. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau. Abrufbar unter: https://orgprints.org/id/eprint/36212/1/Beitrag_288_final_a.pdf. Zuletzt abgerufen am 21.06.2022

11 Pieper, M. (2019): Versteckte Kosten von Lebensmitteln – Ein Weg zu nachhaltiger Landwirtschaft. Abrufbar unter: https://www.ernaehrungswandel.org/informieren/artikel/detail/versteckte-kosten-von-lebensmitteln-ein-weg-zu-nachhaltiger-landwirtschaft-1. Zuletzt abgerufen am 09.06.2022.

12 Sanders, J. und Heß, J. (Hrsg.) (2019): Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft. 2. überarbeitete und ergänzte Auflage, Thünen Report. Abrufbar unter: https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_65.pdf. Zuletzt abgerufen am 21.06.2022.

13 Naturkapital Deutschland – TEEB DE (2017). Fallbeispiel Gewässerrandstreifen. In: Naturkapital Deutschland – TEEB DE: Neue Handlungsoptionen ergreifen – Eine Synthese. Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Leipzig. Abrufbar unter: https://www.ufz.de/export/data/462/191157_Fallstudie_Gew%C3%A4sserrandstreifen_Web.pdf. Zuletzt abgerufen am 21.06.2022.

14 Els T. (2022): Frische Lebensmittel teurer. Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH. Abrufbar unter: https://www.ami-informiert.de/ami-maerkte/maerkte/ami-maerkte-verbraucher/meldungen/single-ansicht?tx_aminews_singleview%5Baction%5D=show&tx_aminews_singleview%5Bcontroller%5D=News&tx_aminews_singleview%5Bnews%5D=36033&cHash=e37a79980f1d238ad00fd35b6e73d105. Zuletzt abgerufen am 01.09.2022.

15 Lehnert-Gruber B. (2022): Kathrin Jäckel, lohnt es sich Preise zu vergleichen? Schrot und Korn. Abrufbar unter: https://schrotundkorn.de/essen/preise-bio-laden?fbclid=IwAR39F4pFfcZ-Bmaubz2F8XxQpKI12KyO-fuTeci1i4-H3fR1BeOz3GeSpbk. Zuletzt abgerufen am 1.09.2022.

16 Schader, C. et al. (2013): Volkswirtschaftlicher Nutzen der Bio-Landwirtschaft für Österreich. Beitrag der biologischen Landwirtschaft zur Reduktion der externen Kosten der Landwirtschaft Österreichs. Abrufbar unter: https://www.fibl.org/fileadmin/documents/de/news/2013/studie_volkswirtschaft_nutzen_131205.pdf. Zuletzt abgerufen am 21.06.2022.


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