Das Gentechnik-„Kartenhaus“ 

Die geplante Deregulation von Gentechnik durch die EU-Kommission droht Landwirtinnen und Landwirte, die gentechnikfrei wirtschaften, zu benachteiligen. Würden die EU-Pläne umgesetzt, wäre die Bio-Landwirtschaft betroffen, die ein Vorbild für eine resiliente, zukunftsfähige Agrikultur ist. Zudem steht ein zunehmender Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) quer zu der Absicht der EU-Kommission, den Einsatz von Pestiziden bis zum Jahr 2030 zu halbieren.

Die geplante Deregulierung der Neuen Gentechnik (NGT) wird von Befürworter*innen und der EU-Kommission vollmundig als Möglichkeit zur Pestizidreduktion verkauft. Doch bisher sind das leere Versprechungen, die durch Studien widerlegt sind. Eine aktuelle Analyse von Foodwatch des Pestizidreduktionspotentials durch den Anbau von NGT-Pflanzen kommt zu folgendem Schluss: „Wenn es um die Reduzierung von Pestiziden in der Europäischen Union geht, scheint das Potenzial dieser Technologien derzeit nahezu gleich null zu sein.“ 1

Tatsächlich würden Gentechnik-Pflanzen nicht zur Pestizidreduktion führen, sondern im Gegenteil die weitere Industrialisierung der Landwirtschaft vorantreiben – auf Kosten von Umwelt, Biodiversität, Verbraucher*innen und Landwirt*innen. Denn eine Deregulierung von NGTs würde der Agrarindustrie zum einen noch stärkere Kontrolle über Saatgut geben und zum anderen das äußerst profitable Geschäftsmodell „herbizidresistentes Saatgut + chemisch-synthetische Pestizide“ weiter stützen. Der Einsatz von Pestiziden würde so weiter vorangetrieben werden. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet der Sojaanbau: Obwohl fast drei Viertel der weltweit angebauten Sojabohnen mittlerweile gentechnisch verändert sind, hat dies nicht zu einer Reduktion, sondern zu einem drastischen Anstieg des Einsatzes von Herbiziden wie Glyphosat geführt.2

Sollte die Kennzeichnungspflicht für NGTs aufgehoben werden, könnten auch Verbraucher*innen und Landwirt*innen nicht mehr nachvollziehen, ob sie gentechnisch veränderte Produkte konsumieren oder anpflanzen. Vor allem die ökologische Landwirtschaft wäre durch die Deregulierung massiv bedroht, da eines der Grundprinzipien des Bio-Landbaus – der gentechnikfreue Anbau – dann nicht mehr gewährleistet werden könnte. Dabei ist die Bio-Landwirtschaft bereits heute ein lebendiges Beispiel für eine resiliente, zukunftsfähige Landwirtschaft, die ohne chemisch-synthetische Pestizide auskommt – und das ganz ohne Gentechnik.

Statt auf neue Gentechnik zu setzen, deren Auswirkungen noch kaum erforscht sind, sollte die EU-Kommission für eine zukunftsfähige Landwirtschaft lieber bereits bestehende, erfolgreiche, natürliche Systeme fördern: Die Vielfalt auf unseren Äckern, Fruchtfolgen, die Förderung von Nützlingen und angepasste, robuste Sorten. Um die ökologische und gentechnikfreie Landwirtschaft, unsere Umwelt und Biodiversität zu schützen und die Wahlfreiheit für Verbraucher*innen weiterhin zu gewährleisten, ist ein starkes Gentechnikgesetz daher zwingend notwendig. 

Inzwischen setzen sich viele NGOs und Verbände gegen die Gentechnik-Initiative der EU-Kommission ein. Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft unterstützt diese Bemühungen, indem wir den systemischen Grundpfeiler der GVO-Landwirtschaft angreifen: die chemisch-synthetischen Pestizide. Denn ohne den Einsatz von vielfältigen Ackergiften funktioniert der Gentechnik-Anbau nicht. Deshalb konzentrieren wir uns darauf, die chemisch-synthetischen Pestizide aus der Landwirtschaft zu verbannen – und damit das Gentechnik-Kartenhaus zum Einsturz zu bringen.

1* https://www.foodwatch.org/fileadmin/user_upload/foodwatch_NeueGentechnik_und_Pestizide_2023_DE.pdf
2* https://www.boell.de/de/2022/01/12/gentechnisch-veraenderte-pflanzen-mehr-pestizide