Nürnberg, 11. Februar 2025 – Auf der heute beginnenden BIOFACH findet die vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft initiierte Podiumsdiskussion statt.
Unter dem Titel „Die Biene kann auch stechen – Wie sich die Biobranche gegen die Bedrohung ihres Kerngeschäfts wehrt und für Biodiversität kämpft“ diskutieren Expert:innen, Branchenvertreter:innen, Jurist:innen und Mitglieder:innen des Bundestages über die wachsende Bedrohung der ökologischen Landwirtschaft und damit einer Versorgung der Verbraucher:innen mit unbelasteten, gesunden Lebensmitteln. Im Fokus: Missstände im Zulassungsverfahren chemisch-synthetischer Pestizide.
Die wichtige Rolle des Bündnisses: Als Gegengewicht zur Lobbyarbeit von Großkonzernen in der EU schafft das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft juristische Präzedenzfälle. Ziel: eine grundlegende Reform des EU-Zulassungssystems, welches gravierende Mängel aufweist.
Luftverfrachtung von Pestiziden wird nicht berücksichtigt
Bereits 2020 hat das Bündnis gemeinsam mit dem Umweltinstitut München eine alarmierende Studie zur Belastung der Luft mit Ackergiften veröffentlicht. An 163 Standorten in Deutschland wurden Rückstände von 138 verschiedenen Pestiziden und deren Abbauprodukten gefunden – jede Probe war belastet. Selbst in Schutzgebieten, die weit von Äckern entfernt liegen – etwa auf dem Brocken – wurden Cocktails aus mehreren Pestizid-Wirkstoffen nachgewiesen. Dennoch bleibt der sogenannte Ferntransport von Pestiziden über die Luft in den Zulassungsverfahren weitgehend unberücksichtigt.
Anja Voss, Geschäftsführerin des Bündnisses, dazu: „Die Politik hat nur leere Versprechungen gemacht und die Ergebnisse unserer Studie schlichtweg ignoriert! Daher nehmen wir nun die Verantwortung selbst in die Hand und setzen uns auf juristischem Weg für einen tiefgreifenden Systemwandel ein.“
Die Verbreitung von Ackergiften über die Luft verursacht zudem hohe wirtschaftliche Kosten für die Bio-Landwirtschaft. Rund 100 Millionen Euro schultert die Bio-Branche jedes Jahr aus Ertragsverlusten und aufwendigen Vorsorge- und Kontrollmaßnahmen. Agnes Roither, Mitinhaberin der Bio-Gärtnerei Tomte, deren Ernte erst dieses Jahr durch das leicht flüchtige Herbizid Clomazone kontaminiert wurde, erklärt: „Das Problem ist nicht neu, doch Politik und Behörden ignorieren es und sprechen von bedauerlichen Einzelfällen.“
Weitere Mängel im Zulassungsverfahren
Die fehlende Berücksichtigung der Luftverfrachtung von Pestiziden ist laut des Bündnisses nicht der einzige Mangel der Pestizidzulassungsverfahren. Prof. Dr. Carsten Brühl, Ökotoxikologe an der RPTU Kaiserslautern-Landau kritisiert: „Pestizide werden als Einzelstoffe bewertet, liegen aber in Mischungen in der Umwelt vor. Und das nicht nur auf dem Acker, chronisch das ganz Jahr über, sondern auch in Landschaften.“ Die Zulassungsverfahren schauen jedoch bisher mit Tunnelblick nur auf einzelne Substanzen.
Zusätzlich werden die Auswirkungen auf die Biodiversität im Zulassungsverfahren nicht berücksichtigt und viele Organismengruppen, wie Amphibien und Reptilien, bleiben unbeachtet. Zudem werden abgelaufene Genehmigungen für Pestizid-Wirkstoffe immer wieder auf Basis veralteter Daten ohne aktuelle Risikobewertung verlängert.
Auch Karl Bär, Agrarökonom und Mitglied des Bundestages, spricht in seiner Rolle als Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft über die Hürden im Zulassungsverfahren: „Bei der Genehmigung von Pestizide-Wirkstoffen in der EU werden Schäden an der Umwelt zu wenig gewichtet. Sonst wären Gifte wie zum Beispiel Imidacloprid oder Glyphosat nie zugelassen worden. Deshalb brauchen wir eine grundlegende Reform des Zulassungsverfahrens!“
Klagen als wirksamer Hebel
Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft versucht deshalb, mit gezielten Klagen gegen besonders problematische Pestizidwirkstoffe juristische Präzedenzfälle zu schaffen, um eine grundlegende Reform des Zulassungssystems zu bewirken. Rechtsanwältin Caroline Douhaire, welche das Bündnis in den Verfahren vertritt:
„Im Bereich der Pflanzenschutzmittelzulassung gibt es zahlreiche Grundsatzfragen, etwa zur Risikobewertung und der Anwendung des Vorsorgeprinzips, die dringend einer Klärung durch die Gerichte bedürfen. Klagen wie die des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft sind wichtig, um zu einer solchen Klärung beizutragen.“
Über das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V.
Das Bündnis vereint mehr als 60 Bio-Unternehmen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen und setzt sich für eine Landwirtschaft ohne chemisch-synthetische Pestizide ein. Mit wissenschaftlichen Studien, politischer Aufklärung und juristischen Verfahren setzt sich das Bündnis für den Schutz von Biodiversität und gesunden Lebensmitteln ein.
Podiumsdiskussion heute: „Die Biene kann auch stechen!“
Dienstag, 11. Februar 2025, 12:00 – 13:00 Uhr
BIOFACH Kongress, Raum St. Petersburg
Pressekontakt:
Katrin Kaessmann
Referentin Kommunikation & Öffentlichkeit
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